Erziehungsmaßnahmen

Erziehungsmaßnahmen

 

Als Daniela die Tür öffnen wollte, um Maja die gebügelte Hose zu bringen, fand sie die Tür verschlossen.

„Maja“, rief sie, „mach sofort auf.“

„Keine Lust“, tönte es von drinnen.

„Maja, was soll das denn? Sei doch vernünftig.“ forderte Daniela ihre Tochter auf.

Werner stürzte aus seinem Zimmer und schrie: „Maja, mach sofort auf. Ich zähle bis drei. Wenn dann die Tür nicht offen ist, trete ich die Tür ein – und Du kannst was erleben.“

 

Ach, wie war Maja doch früher so pflegeleicht gewesen, ein Strahlekind, immer gut gelaunt. Sie brachte gute Zensuren heim, die Lehrer waren begeistert von ihrer Sozialkompetenz. Sie war hilfsbereit und motiviert. Daniela erinnerte sich gern an den 6. Geburtstag ihrer Tochter und das Leuchten in deren Augen, als sie das Kätzchen sah, das die Großmutter ihr geschenkt hatte. Ihr fiel aber auch ein, wie untröstlich Maja im letzten Jahr gewesen war, als die Katze überfahren worden war. Fing es damals eigentlich an, dass sie so lustlos auf dem Bett herumhing, dass sie jede Hilfe, um die sie gebeten wurde, ablehnte oder aber höchst unwillig, unter leisem, aber unüberhörbarem Fluchen erledigte?

Oder war es einfach nur die Pubertät, die ihre Tochter zu einem unleidlichen, chipsfressenden, mürrischen Monster gemacht hatte?

 

„Drei – zwei – eins – also…“ – Werners Stimme kippte vor Wut fast über. Er würde doch wohl nicht…? Werner, der sonst so Penible, der niemals etwas zerbrach – und Haushaltsgeräte, die ihr kaputt gingen, sofort mit in seine Werkstatt im Keller nahm, um sie dort zu reparieren? Werner, der jedes Wochenende die Familienkutsche innen und außen fein säuberlich  reinigte?  Werner – der Gewalt verabscheute!

 

Daniela bekam es mit der Angst zu tun, legte ihm die Hand auf den Arm und wollte Werner beschwichtigen. Aber der trat, als kein Laut aus dem Kinderzimmer ertönte, mit dem rechten Fuß gegen das Türblatt. Splitternd gab das Schloss nach, die Tür sprang auf.

Daniela, die hinter ihm stand, sah in die großen erschreckten Augen ihrer Tochter, während Werner kalt und sehr entschlossen  das Fenster öffnete, das flimmernde Laptop von den Knien seiner Tochter nahm und den Apparat hinaus warf.

Klirrend  fiel das Gerät auf die Straße – und kurz danach hörte man das Quietschen von Autoreifen.